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KW 18 | Schluckauf

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Und schlecht ist ihr auch.
Zu schnell gegessen, zu schnell den Rotwein hinterhergekippt, damit die Ecken der Welt ein bisschen weicher werden. Wie ein Ballon, und zwischendurch schwappt die Luft über und ihr entfleuchen hohe Töne. Schluckauf. Wie weinen, nur anders.

Jedes mal das gleiche: erst stundenlang vergessen, etwas zu essen – die Welt ist so spannend, wer denkt denn da ans Essen? Kaffee ja, der ist wichtig, aber Essen? -, bis ihr Körper rebelliert und gewaltsam darauf aufmerksam macht, dass die Welt nur mit ausreichend Kohlenhydraten spannend bleiben kann. Sie steht auf, wühlt durch ihre Vorräte – was geht schnell, was schmeckt gut, aber Fertigessen ist nur selten eine Option. Dann stellt sie sich hin. Gemüse schneiden, Wasser zum Kochen bringen. Essen, gutes Essen ist Selbstliebe. Noch zwei, drei Kaffee währenddessen, damit der Kreislauf oben bleibt.

Das Kunstwerk vom Herd wird dann in atemberaubender Geschwindigkeit verdrückt. Keine Zeit für Geschmäcker oder die liebevoll untergemischten Gewürze. Mehr eine kurze Wahrnehmen zwischen “gut” oder “nicht gut”. Es ist keine Zeit, zu genießen, wenn ein Defizit besteht. Dann suchtet sie nur.

Teller leer, sie stellt ihn achtlos neben sich. Manchmal bleibt er dort einfach bis zum nächsten Tag stehen, weil sie so bewegungslos ist.
Dann kommt der Rotwein. Dann der Schluckauf.

Sie hängt in den Kissen und starrt auf den Bildschirm gegenüber, der ihr Informationen gibt, von denen sie glaubt, dass sie notwendig sind, und von denen sie manchmal nicht sagen kann, ob sie es sind. In allen Dingen stopft sie nach langen Wartezeiten Dinge in sich rein und damit die Lücken. Gefolgt von Schluckauf, Müdigkeit, herumliegen und warten. Essen, Liebe, Wissen, Musik.

“Ungesundes Essenverhalten” nannten Menschen das, die verbrieft und auf Papier Ahnung von so etwas haben.
“Ungesundes Lebensverhalten” nennt sie das, ohne Ahnung, aber die Übelkeit und der Rotweinschimmer sprechen für sich.

“Fünf kleine Portionen am Tag” , sagen die Menschen, die Ahnung haben.
Sie fragt sich, ob sie wissen, dass das Leben sich nicht in Portionen aufteilen lässt.

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